Warum er uns Hoffnung, Vertrauen und Freude gab
und weshalb er uns eine ganz besondere Gabe hinterließ.
Der Gedanke schwebte über die Erde und suchte einen Platz, um auszuruhen.
Er ließ sich auf einer Blüte nieder.
Doch sie schwankte nur im Winde und überschüttete ihn mit Blütenstaub.
So verließ er sie.
Er fand eine Ameise. Doch die hielt plötzlich inne. So, wie sie vorher unermüdlich gesammelt und geschleppt hatte, so verfiel sie in ein endloses Grübeln, rührte sich
nicht mehr und verhungerte.
Der Gedanke flog weiter und fand ein Wesen, welches auf dem Boden hockte und
lustlos Dinge anstieß, aufhob und sie wieder fallen ließ. »Nimm mich auf!«, sagte der Gedanke, »als Belohnung werde ich dir die Lust schenken, die Freude und den Genuss.«
So zog der Gedanke in das Wesen ein und nannte es Mensch.
Der Mensch sah sich um, und alles, was er fand und tat, bereitete ihm Lust. Er freute
sich an den Blumen, er genoss den Anblick der Wolken, er liebte es, umherzugehen
und innezuhalten. Er aß mit Freude, und trank das Wasser mit Genuss.
Doch er genoss es auch, die Blumen zu zertrampeln, das Wasser zu verschmutzen
und die Tiere zu fangen und zu quälen. Da gebot ihm der Gedanke Einhalt:
»ich werde dir den Zweifel geben, damit du bereit bist, über alles, was du tust und
über alles, was du lässt, dir Rechenschaft abzulegen.«
Doch bald saß der Mensch wieder auf dem Boden, zerrissen zwischen dem, was
er tun wollte, und der Furcht davor, etwas zu zerstören, ängstlich bemüht,
alles zu vermeiden, was er nicht ausführlich bedacht und vorhergesehen hatte.
»Das ist nicht gut«, sagte der Gedanke, »als ich dich traf, warst du lustlos und ohne
Ziel. Doch jetzt weißt du, was Lust ist, und versagst sie dir aus Angst, dein Ziel zu verfehlen.«
»So will ich dir die Hoffnung geben, die dich aus der erstarrten Umklammerung von
Lust und Zweifel befreien soll!«
Und so richtete sich der Mensch wieder auf, sammelte und baute, plante und schuf
sich eine Welt, von der er hoffte, dass sie ihm zur Lust gereichen werde.
Er sammelte Blumensamen, säte und hoffte, sich an ihrem Duft und ihrer Schönheit
zu laben, er ersann Speisen und Spiele.
Doch er konnte die Zeit nicht vergessen, wo er nur Lust empfand, wo alles, was er tat,
ihm Freude bereitete, wo er die Welt genoss, ungetrübt und nicht angenagt von Zweifel.
Die Hoffnung schwand, dass es, so sehr er sich auch mühte, je wieder so sein würde.
Der Zweifel drohte, die Hoffnung wieder zu ersticken, und der Mensch schien immer
mehr in Trübsal zu versinken. Jedes Misslingen schien ihm ein Zeichen, jeder Schmerz brannte sich ihm in die Seele und jedes Scheitern ließ ihn verzweifeln. Die Hoffnung erkrankte und verwandelte sich in Sehnsucht.
Da schaute ihn der Gedanke ein letztes Mal an und sagte:
»Ich werde dir eine letzte Gabe hinterlassen. Du sollst vergessen können, damit die Hoffnung nicht stirbt und die Freude ungetrübt sein kann.«
Und der Mensch vergaß den Gedanken.
Der Autor ist unbekannt
Kommentar schreiben